Auch Trösten ist Erste Hilfe

„Habt ihr schon mal Erste Hilfe geleistet?“ fragt Angelika Polzien in die Runde. Die 13 Kinder schauen sie mit großen Augen an und schütteln die Köpfe. Leise ist das ein oder andere „nein“ zu hören. Aber die erfahrende Ausbilderin des DRK weiß es besser: „Das habt ihr ganz bestimmt! Sicher habt ihr schon mal jemanden getröstet, der sich wehgetan hat. Das ist auch Erste Hilfe.“

Angelika Polzien ist ein alter Hase – im besten Sinn des Wortes! Seit 35 Jahren ist sie dabei, besucht Betriebe, Schulen und Kindergärten, um dort ihr umfangreiches Wissen an Ersthelfer, Schulsanitäter und ganz besonders an Kinder weiterzugeben. „Kindern die Grundbegriffe der Ersten Hilfe beizubringen, macht mir auch nach so vielen Jahren noch sehr viel Spaß“, betont sie. Dabei spult sie nicht irgendein Programm ab, sondern geht individuell auf die jeweilige Gruppe ein. Heute sind es beispielsweise Jungen und Mädchen im Alter von sechs bis acht Jahren, die auf die Einladung des DRK-Ortsvereins Treia in die Begegnungsstätte gekommen sind, um etwas über Erste Hilfe zu lernen. Im Gegensatz zum Unterricht mit den Großen, stehen hier nicht die stabile Seitenlage, der Umgang mit dem Defibrillator oder Mund-zu-Mund-Beatmung auf der Agenda. „Da muss man sehr vorsichtig rangehen“, betont sie, „Kinder sind sensibel.“ Es geht darum Kinder zu stärken und selbstbewusster zu machen – und das gelingt ihr durch kindgerechte Vermittlung der Inhalte.

Gerade an dieser Stelle hat sich im Laufe der vergangenen Jahre einiges verändert. „Wir haben unser Vermittlungskonzept komplett umgestellt“, ergänzt sie, „Kinder sind heute anders, haben andere Voraussetzungen und lernen anders.“ Der Ansatz ist deshalb praxisorientierter und Frontalunterricht auf ein Minimum reduziert. Deshalb sitzen die Kinder auch nicht lange am Tisch, sondern kommen schnell in Aktion. Was passiert mit einem rohen Ei, das auf den Fußboden fällt – und ist es in einem Mini-Fahrradhelm tatsächlich geschützt? Wie fühlt sich eine Kühlkompresse auf der Haut an? Kann eine dünne Rettungsdecke wirklich wärmen? Und was kann man gegen Nasenbluten unternehmen? Wo gehören die Warnwesten hin? Hat ein Verbandskasten ein Verfallsdatum? Das sind nur wenige Fragen, auf die es schnell Antworten gibt – durch selbst ausprobieren, denn was man selbst erlebt und fühlt, prägt man sich auch besser ein.

Besonders wichtig ist Angelika Polzien der Umgang mit Verletzten und das korrekte Absetzten eines Notrufs. „Das sind Dinge, die auch ganz junge Ersthelfer sehr gut bewältigen können“, erklärt sie und fragt die Kinder, wie jemand aussieht, dem es nicht gut geht, der Schmerzen hat. „Dann ist man blass im Gesicht“, weiß Hannah, „und man fasst dahin, wo es weh tut.“ Richtig! Intuitiv wissen Kinder auch, wie man tröstet. Dass genau dieses Trösten sehr wichtig ist und unbedingt zur Erster Hilfe gehört, lernen sie. Auch, welche Nummer man im Notfall anrufen muss und welche Informationen die Rettungsleitstelle benötigt erfahren sie von ihrer Ausbilderin.

Die kleinen Ersthelfer sind aktiv und neugierig bei der Sache. Ohne Zweifel hat Angelika Polzien ein großes Talent sie zu begeistern – auch nach so vielen Jahren im Beruf. Die Kinder nehmen viel mit. Das wird ihr von Lehrern und Eltern immer wieder bestätigt. „Sie fragen zu Hause nach Warnwesten und Verbandskasten“, schmunzelt sie, „und ich weiß, dass die Kinder im Ernstfall in der Lage sind das Gelernte abzurufen und anzuwenden – das ist meine Motivation.“

Beitrag veröffentlicht von:
Claudia Kleimann-Balke